gildewappen-gkk

Gildegottesdienst 2010

St.-Peter-Kirche, Krempe, den 27. Juni 2010: Um 10 Uhr begann der traditionelle Gildegottesdienst mit dem Fahneneinmarsch. Pastor Bruhn gestaltete den Gottesdienst in bemerkenswerter und sehr treffender Weise. Insbesondere seine Predigt nahm Bezug auf die verschiedenen aktuellen Ereignisse in diesem Gildejahr. Pastor Bruhn fand die richtigen Worte und traf die Gemütslage Vieler. Sein Predigttext ist nachstehend aufgeführt. Vielen Dank, Herr Pastor Bruhn.

Begleitet wurde der Gottesdienst an der Orgel durch Jungschaffer Igor Zeller, der zum Fahneneinmarsch die National-Hymne, passend auch zur FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft, und zum Ausklang “Heimat; schön, so schön war die Zeit” spielte.

Ein wirklich schöner und bewegender sowie zur Gilde passender Gottesdienst, der noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Predigt zu Lukas 6 , 36, 42 im Gildegottesdienst, 27. Juni 2010 Krempe, Pastor Bruhn.

Predigttext:

Jesus sprach: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben. Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen.

Er sagte ihnen aber auch ein Gleichnis: Kann auch ein Blinder einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen? Der Jünger steht nicht über dem Meister; wenn er vollkommen ist, so ist er wie sein Meister. Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und den Balken in deinem Auge nimmst du nicht wahr? Wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt still, Bruder, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge und sieh dann zu, dass du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst!

 

Liebe Gemeinde!

Eine der Reden Jesu aus der Bergpredigt fällt heute als Evangelienlesung auf den Gildesonntag: Wir haben es gehört: dieses Wort vom Maß, von Jesu Empfehlung, wohlabgewogen zu messen. Mit Augenmaß, würden wir heute sagen. Der Ermessensspielraum gehört dazu, die Verhältnismäßigkeit im Urteilen.

All das weißt uns darauf, wie eine gute Gemeinschaft entsteht und be – stehen kann.

Es sind alles Kriterien, die man sich zum Beispiel von einem guten Schiedsrichter auf dem Rasen wünscht; jeder Schüler möchte mit Maß beurteilt werden, jetzt in diesen Wochen vor Ende des Schuljahres, wo es um die letzten wichtigen Zensuren geht; jeder Autofahrer, der wirklich noch maßvoll zu schnell fährt, freut sich über maßvolle Nachsicht im möglichen Rahmen. Jeder, der sich bei seiner Arbeit in Zeug legt, möchte mit rechtem Maß beurteilt, also auch mal gelobt werden.

Jeder sollte auch sich selbst im rechten Rahmen beurteilen können und nicht unmäßig streng mit sich selbst sein. Alles das dient dem Ziel eines guten Auskommens miteinander.

Maßvoll heißt angemessen, verhältnismäßig, aber nicht nur von Messen soll das kommen, sondern es soll auch von Wohlwollen begleitet sein, wenn ich dem anderen begegne.

 

Jesus hat Konflikte vor Augen gehabt, als er  – weise vorausschauend wie er war – vom Richten abriet, und den Vergleich vom Splitter und Balken im Auge prägte. Auch damals war es viel einfacher, die Fehler lieber bei anderen zu finden.

Ob Jesus wußte, wie zeitlos aktuell seine Ratschläge, seine Grundregeln lebenswerter Mitmenschlichkeit im Sommer 2010 immer noch sind? Ich denke, ja.

 

Fehler bei andern finden wir oft schnell, erkennen sie mit scharfem Blick. Urteilen tut jeder gerne negativ. Um Anlässe für Beschwerden, Klagen sind manche Zeitgenossen besonders wenig verlegen. Das sind die, deren Gegenwart meistens nicht so gerne gewünscht ist.

 

Ja,  Anstoß kann man nehmen, an vielem; manches mag sicher begründet sein: extreme, regelmäßige Ruhestörung zur Unzeit, die wöchentlich immer demselben Muster folgt, (z.B. Rasenmähen Sonntags zwischen 12 und 15 Uhr.) Ärger verständlich.

Und da ist andererseits der ruhige Nachbar, der – ausnahmsweise, ein einziges Mal im Jahr -  zu Hause feiert, hat es vielleicht sogar vorher angekündigt, zum Feiern eingeladen, oder man kennt den Termin, weil es in den Jahren vorher schon so war. Da ist jemand neu nebenan – und schon ist dieser eine Ausnahmeabend verdorben, weil der auf seinem Recht besteht, obwohl er auch vorher von diesem Abend wußte.

Mancher Lärm ist schwer erträglich, manche Veranstaltung nicht jedermanns Geschmack, das kann man ja frei und offen sagen. Das Maß aber, mit dem mitunter auf Ereignisse reagiert wird, finde ich  - leider – auch mitunter anstößig, unverhältnismäßig, noch viel unverständlicher als die vermeintliche Rücksichtslosigkeit.

Anstoß kann man nehmen, wenn eine große Mehrheit eines Ortes ihre Tradition in gewohnter Weise pflegen will, weil es einem nicht in sein privates Belieben passt. Ist der Ruf nach Gesetz und Staat, sind von Nachbarschaftsklagen zugeschüttete überarbeitete deutsche Gerichte Ausdruck einer Tendenz, die immer mehr zunimmt?  In einigenTeilen ist unsere Gesellschaft in den letzten Jahren unduldsamer geworden. Und das scheint zuzunehmen. Es ist eine Intoleranz besonderer Art.

Der gesellschaftliche Umgang scheint in etlichen Bereichen gegenüber früher schwieriger geworden. Doch die Umgangskultur ist eine Medaille mit zwei Seiten. Es sind zwei Beobachtungen, die da zusammengehören, ja, sich gegenseitig bedingen:

1. Das allgemeine Verschwinden einer öffentlichen Kultur, im Gemeinwesen, auch in der Politik (siehe Politikverdrossenheit) bedeutet: Mein privater Radius, wie eng oder weit auch immer, ist immer wichtiger, ja bedeutet alles. Darum beanspruche ich in diesem eher kleinen privaten Radius auch größtmögliche Freiheit. Da will ich machen können, was ich will. Die Nachbarn? Interressieren mich nicht.

2. Die Kehrseite ist: wenn diese private Freiheit alles bedeutet: kann ich den Anspruch eines andern, der das nicht akzeptiert, um so weniger tolerieren, je weniger mir ein möglichst großer gemeinsamer, besser gemeinschaftlicher Nenner wichtig ist. Und daraus folgt: Ich kann  ein öffentliches, allgemeines Interesse erst recht nicht verstehen, weil mich das noch viel weniger interessiert als ein privates Anliegen.

 

Das hat  negative Auswirkungen auf alle gemeinsamen öffentlichen Belange, ob es nun Notwendigkeiten eines Gemeinwesens betrifft (Schneeräumen,) oder eben Anlässe, die doch Ausdruck von Wohlstand und Freiheit und Toleranz sind, wie eine öffentliche Feier, eine Feier, die doch selbst den Anspruch hat, zuallererst zur Freude des Ortes, seiner Bewohner, also der Gesellschaft statt zufinden.

 

Gründe für weniger werdenden Gemeinsinn kann man vermuten: Die Wirtschaftskrise verunsichert, wenigstens my home, my castle soll mir noch Freiraum bieten, wenn ich mir sonst immer weniger leisten kann. Ein anderer Grund: gerade außerhalb des Berufslebens pflegt jeder seine kleinen Kreise, seine Nischen. Es wird immer weniger mit anderen geredet, sich ausgetauscht: mit den Nachbarn, direkt, persönlich, von Angesicht zu Angesicht. Den unbekannten Chatpartner im Internet stört nicht, was ein anderer Privatmensch hunderte Kilometer weit weg treibt.

 

Und so kommt es zum Streit, allen Vorkehrungen, Absprachen, Informationen und Vorankündigungen zum Trotz. Da wäre ein Ruf zum rechten Maß immer gut, und es wäre noch besser, wenn diejenigen, denen dieses Maß abhanden gekommen ist, diesen Ruf hören: denn eben mit dem Maß, mit dem ihr meßt, wird man euch wieder messen.  wie man in den Wald hineinruft, so schalt es heraus.

 

Ein Gegenmittel? Da könnte jeder mal die Gelegenheit nutzen, die die Gilde morgen, am Montag bieten will: Begegnung, persönlich, frei von Alltagszwängen, den andern mal ein Stück besser kennenlernen, verstehen. Das ist ja das Schöne am Motto der Gilde: Raus aus dem Alltag, das will Gemeinschaft ermöglichen, die im Vorwege keine Voraussetzungen erfüllen muß, außer vielleicht die Lust am feiern oder nur, erstmal einfach mitzugehen. Und wer weiß, was der Tag in diesem Jahr am Ende bringen mag, an besserem Kennen, Verstehen, bis hin zu neuen Bekanntschaften, Freundschaften?

 

Wenn das rechte Maß schon einiges Gute bewirken kann, so gehört es bei Jesus immer dazu, dass ihm das nicht reicht. Er spitzt seine Botschaft zu, sein Anspruch ist um einiges höher.

Im Vergleich gesprochen: Er belässt es nicht beim gerade ausreichenden Unentschieden, wo er die Menschen mit mehr Toren und Punkten weiter – mehr als eine Runde weiter im gemeinschaftlichen Miteinander bringen kann. Er ist kompromisslos in dem Guten, was er uns vermitteln will. Das ist seine Elfmeterregel: ganz oder gar nicht.

 

Mit Jesu eigenen Worten: Es geht um die Frage, wie aus dem bloß rechten Maß, ein überfließendes Maß werden kann. Nicht ein Maß des Urteilens, Kritisierens, sondern ein Maß des Wohlwollens. Voll ist schon ganz gut, aber Jesus sagt: Ihr könnt mehr, ihr könnt das besser, ihr könnt weiter kommen, als bis zum Arbeitssieg, als nur in die nächste Runde.

 

Und er geht da anders ran. Statt immer kompliziertere Kompromisse und Gesetze für alle und jede Eventualität, über die wir uns in die Wolle kriegen könnten, findet er ganz einfache Vergleiche. Wo er die Latte höher legt, klingen die Spielregeln klar und einfach: mit dem Maß, mit dem ihre meßt wird man euch wieder messen, richtet nicht, wenn ihr nicht gerichtet werden wollt, alles unter der Überschrift: Seid barmherzig, so wie Gott mit euch barmherzig ist. Punkt. Ende. Keine Klauseln, keine faulen Kompromisse, kein ja aber.

 

Ich finde in Jesu Anweisungen eine entspanntere Weise, mir selbst und anderen zu begegnen. Er verlangt schlicht den Verzicht auf die Anstrengung, Welten- und Menschenrichter zu spielen. Er unterrichtet mich in der Meisterschaft, anderen zu gönnen, was mir selbst gut tut: Dass ich nicht mit dem Maßstab gemessen werde, den ich nicht selten verdiene! Jesus lebte Vergebung. Nicht in dieser belächelten, klischeehaften Art billiger Gnade, die alles durchgehen lässt. Jesu Menschenkenntnis bestimmte seinen beeindruckenden, prägenden Umgang mit den Leuten. Seid barmherzig: Das ist kein niedliches Absegnen jeder Dummheit und menschlichen Schwäche, sondern es bedeutet eine Lebenshaltung: Indem ich Barmherzigkeit »verkörpere«, wirkt sie positiv auf andere und bestimmt auch mich.

 

Im Gespräch mit Jugendlichen antwortet ein ehemaliger Mailänder Erzbischof auf die zugespitzte  Frage, welches »die wichtigste Verhaltensregel« sei, »die Jesus uns lehrt«: »Wenn ich weiß, dass der andere aus dem gleichen Holz geschnitzt ist wie ich, dass er die gleichen Stärken und Schwächen hat wie ich, dann gibt diese Nähe auch Kraft, den anderen zu mögen. Wenn ich mich vom anderen getrennt fühle und mir denke, dass er schlecht ist und ich gut bin, dass er schwach ist und ich stark bin, dann mag ich ihn nicht. Wenn ich weiß, dass wir alle im selben Boot sitzen, dann weckt dieser Gedanke in mir Mitgefühl und Liebe.«

Aber leider ist es ja menschlich, dass das misslingt: objektiv, zu sein, verständnisvoll zu handeln, das es schwer ist, zu vergeben und, ja Vergebung auch anzunehmen.

Dann tut es gut, wenn wir uns von Jesus erinnern lassen: "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Und richtet nicht, ... verdammt nicht, ... vergebt ... gebt ..." - und zieht den Balken aus eurem eigenen Auge. Dann“, sagt Jesus, wird euch „ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß ... in euren Schoß" gegeben, „denn mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen."

Also, was ist das, was uns da gegeben wird? "Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß"!? Nicht pingelig abgezählt. Nein. Vielleicht kennen Sie das, wenn man seine Vorräte verstauen will. Wenn man nach dem letzten Großeinkauf alle Dosen und Vorratsbehälter wieder auffüllt. Manchmal muss man da ein bisschen drücken und rütteln und schütteln, damit die ganze Fülle da hineingeht.  So ist das zu verstehen, was Jesus sagt. Es wird gedrückt und geschüttelt und doch fließt das über, was wir bekommen, wenn wir barmherzig leben mit uns selbst und mit anderen.

 

Was genau bekommen wir denn, wenn wir so leben?

Ein Stück von der Fülle Gottes, die nicht in unsere menschlichen Gefäße passt, fällt uns zu. Gelassenheit gehört dazu, die Gewissheit, trotz eigener Grenzen geliebt und angenommen zu sein, von Gott und von anderen Menschen. Und Freude am Leben, die sich einstellt, wenn einem dies alles klar wird. Lebt und handelt nach dem anderen entscheidenden Leitsatz Jesu aus der Bergpredigt: Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Wo nach dieser goldenen Regel gelebt wird, - allen falschen Kompromissen, allen früheren Fehlern zum Trotz - , da ist Gottes Reich schon in dieser Welt sichtbar. Gebe er uns den Mut, immer wieder nach seinem Wort zu leben. 

AMEN

 

[Home] [2010] [Filme 2010] [Königsmarsch] [Gen.Vers.] [Silberputzen] [Buchs] [Zitrone] [Gildemontag 2010] [Königsball] [Gottesdienst] [Birkenschlagen] [Kranzbinden] [Säbelübergabe] [Kranz weg] [Neumitglieder]